09.04.2024
Bobsport

„Das ist verrückt“

Vanessa Mark ist seitdem es Bob bei der Eintracht gibt dabei. Nach einer schwierigen letzten Saison hat sich die Anschieberin dieses Jahr eindrucksvoll zurückgemeldet. Wir haben sie zum Interview getroffen.

Gude Vanessa, und erst einmal herzlichen Glückwunsch zum Weltmeistertitel. Erzähl uns von dem Tag, an dem es ja gleich zwei Sachen für dich zu feiern gab.  
Vielen Dank. Der Tag war natürlich sehr schön. Meine Freunde, also mein Team (lacht), haben mich morgens mit einer kleinen Geburtstagsparty überrascht. Es gab Kuchen und ein Ständchen für mich. Der Wettkampf wiederum war Nervenkitzel pur. Nach dem dritten Lauf waren wir auf dem ersten Platz, nach uns kamen aber noch alle anderen Fahrerinnen. Ich wusste zwar, dass unsere Fahrt gut war, die Vergleichswerte haben halt noch gefehlt. Du stehst dann unten am Ziel und schaust nur noch auf die Zeit. Wird sie rot oder grün? Und sie wurde nach uns nicht mehr grün, also sind wir als Erste in den vierten und entscheidenden Lauf gegangen. Der vierte Lauf musste jetzt sitzen. Am Start war es richtig laut, ich bin das erste Mal vor so vielen Leuten gestartet und dann waren auch noch meine ganzen Freunde und meine Familie da. Es war ein überragendes Gefühl und ich habe einfach Vollgas gegeben. Als wir im Ziel angekommen sind, habe ich es gar nicht realisiert, bis ich Lisa jubeln gesehen habe. Dann habe ich gecheckt: Wir haben gewonnen. Wir sind einfach Weltmeisterinnen, das ist verrückt. 

Gehen wir mal zum Anfang deiner Laufbahn. Du bist in Dortmund aufgewachsen und wegen des Sports nach Hessen gezogen, wie kam es dazu? 
Ich bin in Dortmund geboren und habe da auch meine sportliche Karriere gestartet. 2015 bin ich aufgrund meines Trainers, Tim Restle, erst nach Wiesbaden gezogen und seit 2022 sind wir jetzt in Frankfurt. Er hat Potenzial in mir gesehen und meinte, ich müsste dafür vor Ort trainieren. Ich wusste, dass er ein guter Trainer ist und mir weiterhelfen kann, deswegen habe ich den Schritt gewagt. 

Und das, obwohl du eigentlich lange Zeit eine andere Sportart betrieben hast.
Ja genau, ich bin mit zwölf Jahren zur Leichtathletik gekommen und war im Siebenkampf aktiv.

Und wie bist du dann auf Bob gekommen? 
Eigentlich bin ich gar nicht zu Bob gekommen, sondern Bob zu mir. Der Trainer einer guten Freundin hat damals sowohl Leichtathlet:innen als auch Bobfahrer:innen trainiert. Er kannte mich von Wettkämpfen und hat bestimmt ein Jahr auf mich eingeredet, dass ich doch auch mal zum Bob kommen soll. Nachdem mich dann noch ein zweiter Trainer darauf angesprochen hat, dachte ich mir, ok ich probier’s aus. Ich bin nach Winterberg zum Anschubtraining, habe es ausprobiert und es lief ganz gut (lacht). Seitdem bin ich Bobanschieberin. 

Du bist also von einem Einzelsport zu einer Teamsportart gewechselt, wie war das?
Es ist schon etwas anderes. Wenn ich einen Leichtathletik-Wettkampf verhauen habe, dann wusste ich, dass ich alleine dafür verantwortlich bin. Wenn man im Team antritt, muss man erst einmal lernen, damit umzugehen, dass man auch verlieren kann, obwohl man selbst vielleicht gar nichts dafür kann. Beim Bob ist es eine Mischung aus Team- und Einzelsport.

Kannst du das genauer erklären? 
Am Anfang der Saison kämpft jede Anschieberin und jeder Anschieber für sich selbst. Bei den zentralen Tests muss die Leistung stimmen, damit man überhaupt in ein Team kommt. Wenn man eine gute Zeit setzt, bewirbt man sich quasi für ein Team. Ab dem Punkt beginnt das Zusammenarbeiten. Wir gewinnen und verlieren zusammen und es ist schön, dass man nicht alleine dasteht. 

Hast du dich denn auch schon einmal als Pilotin versucht?
Ich bin einmal selbst den Monobob gefahren, weil ich mit der Überlegung gespielt habe, Pilotin zu werden. Aber dafür war es dann etwas zu spät. Bis zum 26. Lebensjahr zählt man beim Bob zum Juniorenbereich und wird stark gefördert. Ich hätte nur ein Jahr gehabt, um umzuschulen, und dann haben wir den Gedanken schnell wieder verworfen.

Sprechen wir über einen weniger schönen Teil deiner Karriere. Die Verletzung 2022, die dich die Olympia-Teilnahme gekostet hat. Es war der Fuß, oder? 
Ich hatte einen Haarriss im Fuß, also einen Riss in der Knochenstruktur. Das habe ich aber recht schnell wieder in den Griff bekommen. Das größere Problem zu der Zeit waren meine angeschwollenen Füße. Ich habe das ganze Aufbautraining im Sommer damit verbracht, herauszufinden, was der Auslöser dafür war. Irgendwann habe ich einen Arzt gefunden, der mir Gicht diagnostiziert hat. Ich habe die Leistungstests zwar mitgemacht, aber es hat leider nicht gereicht und ich habe die Teilnahme um einen Platz verpasst. Das war ein bittererer Moment, aber jetzt, zwei Jahre später, habe ich es wieder hinbekommen und bin Weltmeisterin. Man sieht, dass sich Dranbleiben lohnt, und in zwei Jahren wäre nochmal Olympia, vielleicht läuft es dann besser. 

Alles, was ich mache, mache ich für Olympia.

Vanessa Mark, Anschieberin

Du hast deine Ziele angesprochen. Was steht die nächsten Jahre an?
Alles, was ich mache, mache ich für Olympia. Wir arbeiten immer in Vier-Jahres-Zyklen und es richtet sich alles auf die Olympischen Spiele aus. Jetzt heißt es, die nächsten zwei Jahre nochmal genauso gut durchzukommen, im besten Fall ohne Verletzungen, um dann bei Olympia auf dem Schlitten zu sitzen, das ist natürlich mein großer Traum. Dafür muss ich es unter die Top-3 in Deutschland schaffen. 

Kommen wir vom Sportlichen zu einem anderen Thema. Ich habe gelesen, dass du früher in deiner Heimat in einem Karnevalsverein aktiv warst. Was hat es damit auf sich? Und bist du heute noch dabei? 
Also Jein. Meine Schwester ist tatsächlich immer noch in dem Karnevalsverein, deswegen bin ich da noch ein bisschen dran gebunden. Karneval ist mitten in unserer Saison, da ist es schwierig, die beiden Dinge zu vereinen. Aber wenn ich mal die Zeit habe und in der Heimat bin, gucke ich mir das schon gerne an. Es war eine coole Zeit damals. 

Was ist dann dein Go-to-Kostüm, wenn du hingehst?
Ich habe mich früher öfter als Clown verkleidet. 

Deine Familie war in Winterberg dabei. Was sagen sie und deine Freunde dazu, dass du Bobsportlerin bist?
Meine Familie und Freunde sind superstolz und unterstützen mich viel. Ohne diese Unterstützung würde es aber auch nicht gehen. Es war ein echt cooles Gefühl, dass sie alle bei dem Wettkampf dabei waren und mich angefeuert haben.

In Bezug auf deine Eltern hast du auch ein Ritual bei jedem Rennen. Magst du uns das verraten?
(Lacht) Ja klar. Meine Mutter ist Deutsche und mein Vater kommt aus Ghana. Bei den Wettkämpfen trage ich dann immer Ghana-Socken. So habe ich einmal das Deutschland-Trikot an und meine Ghana-Socken, so habe ich beide Länder immer dabei.